Donnerstag, 7. Januar 2010

einer kam durch

„sie glauben ja gar nicht, was hier los ist, das reinste irrenhaus“, seufzt die sichtlich entnervte kassiererin auf nachfrage. nebenan erhielt eine junge frau gerade 955 € zurück und bezahlt mit ein paar scheinen aus dem bündel eine spielekonsole, die deutlich billiger war, als das laptop, das sie zurückgegeben hatte. jeder zehnte einkauf gratis wirbt die elektromarkt-kette. klingt ein bißchen wie jahrmarkt, das soll es wohl auch und weil das so ist, hat wahrscheinlich auch so mancher sein glück versucht. marketing mit hintersinn: statt zehnprozentiger preissenkung für alle das große los für jeden zehnten; so funktioniert der amerikanische traum, so funktioniert der lotto-jackpot. beide sind ungeheuer attraktiv und locken die massen. treffen solche umstände aber auf den aufgeklärten deutschen kunden und ist der zudem mit einer gewissen kaltschnäuzig- und dickfelligkeit ausgerüstet, dann kann das überraschende folgen haben. dann bringt eine junge frau den computer eben einfach zurück, wenn sie nicht gewonnen hat.



außerdem gibt es im land der verbraucherzentralen viele kunden, auf die jene eigenschaften zutreffen und deshalb sieht es so oder so ähnlich wohl in den mediamärkten in ganz deutschland aus. dutzende menschen mit unschuldigen gesichtern bringen ungeöffnete elektronik-artikel zurück und fordern mit stummem blick ihr geld von verkäufern, denen das eine ungeliebte, wesensfremde arbeit bereitet. das ausgerechnet die metro-tochter solch anarchischen zuständen die rollgitter öffnete ist ein vielversprechender start ins neue jahr, allemal unterhaltsamer als „det-iss-mein-laden“-mario.

„darf ich ihnen mal was sagen? sie wollten den computer nie bezahlen. sie haben keinen gratis-einkauf gewonnen und deshalb bringen sie ihn zurück“, hatte ein paar minuten zuvor ein verkäufer in der computerabteilung sicher zutreffend festgestellt und damit meine aufmerksamkeit erregt. sachlich, aber auch sehr direkt, versuchte er einen sehr jungen mann zu beschämen, sprach von missbrauch der kulanz, mahnte dessen stolz an, dessen rechtschaffenheit. der kunde aber sah ihn ungerührt an; etwa so wie ein kind, das sich nach dem schokoladen-massaker den tadel wegen der versauten kleider anhört; stumm, stoisch, zufrieden, denn es hatte ja, was es wollte – in diesem fall die chance, den nervenkitzel, das spiel. der mann sah also zu, wie der verkäufer, ihm weiter ins gewissen redend, gleichwohl die retoure verbuchte. dann nahm er die gutschrift für die kasse. so wie ein junges mädchen vor ihm; die hatte – wenigstens das, mag der verkäufer gedacht haben, wenigstens das – einen roten kopf.

doch dabei haben sich eigentlich alle an die spielregeln gehalten; rücknahme ungeöffneter, unbeschädigter ware versprach der markt. muss er zwar nicht, sorgt aber für gute stimmung und klingt kundenfreundlich. nur jetzt gerade nicht. denn die kunden kauften ein und warteten, bis es 22.30 uhr war und die gewinnzahl bekanntgegeben wurde – ist es die gleiche wie die maßgebliche ziffer auf dem eigenen einkaufszettel: geld zurück. stimmte sie aber nicht überein, kamen die enttäuschten am nächsten tag wieder. denn anders als auf dem jahrmarkt ist die niete kein wertloses stück papier sondern wertvolle hochtechnologie. also brachten sie das gerät gegen erstattung des kaufpreises zurück, tauschten es - je nach charakterfestigkeit oder moralischer überzeugungskraft des verkäufers - gegen ein kleineres oder etwas um, das sie wirklich brauchten, und nahmen die differenz zum kaufpreis des traumgeräts wieder mit. denn darum ging es ja auch: sich einen traum erfüllen, wenn ich schon mal die chance habe und ist sie nur eins zu zehn - ich bin doch nicht blöd!

„wenn gestandene leute uns etwas zurückbringen“, sagt die kassiererin zu mir ,“dann glaube ich denen gerne, dass sie es sich anders überlegt haben und erstatte den kaufpreis. aber da holen sich schüler und studenten handys für 600 euro oder ein laptop für 1500 und stehen dann am nächsten tag wieder auf der matte, wenn sie kein glück hatten.“ und deshalb gebe es jetzt geänderte regeln gegen die einer-von-zehnen-zockerei: nur noch umtausch von defekten geräten, ansonsten warengutschein über den kaufpreis, zumindest für einkäufe während der aktionstage, sagt sie, und zeichnet eine passage auf meinen kassenbon mit ihrem kürzel gegen. ob wirklich viele auf ihr glück und ein teures gerät spekuliert hätten, frage ich, während sie mir den zettel und das wechselgeld gibt; „klar“, sagt sie, „und einer von denen hat dann auch wirklich gewonnen.“ ich sehe auf den bon, dahin, wo sie ihr zeichen gemacht hat: auf die veränderung der umtauschregelung hingewiesen, steht da.

ein schelm, wer böses dabei denkt.